Vereinbarungsersetzender Mehrheitsbeschluss

 

Bei einem vereinbarungsersetzenden Mehrheitsbeschluss handelt es sich um einen Beschluss in Angelegenheiten, die den Rahmen

  • des ordnungsgemäßen Gebrauchs im Sinne des § 15 Abs. 2 WEG,

  • der ordnungsgemäßen Verwaltung im Sinne des § 21 Abs. 3 WEG oder

  • der ord­nungsgemäßen Instandhaltung und -setzung im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG

über­schreiten und zu deren Re­gelung deshalb eine Vereinbarung oder ein einstimmiger Beschluss erforderlich ist. In diesem Fall ersetzt aber ein unangefochtener (Nur-) Mehrheitsbeschluss die an sich erforderliche Vereinbarung oder den einstimmigen Beschluss (BGH, Az. V ZB 58/99, Beschluss vom 20.09.2000).

Die Rechtswirksamkeit dieser vereinbarungsersetzenden Mehrheitsbeschlüsse ergibt sich dar­aus, dass es sich bei den genannten Regelungen um Angelegen­heiten handelt, für die das Ge­setz den Wohnungseigentümern ausdrücklich die Möglichkeit einer Mehrheitsentscheidung im Rahmen "ordnungsgemäßer Maß­nahmen" einräumt, die Beschlusskompetenz damit aus­drücklich vorgegeben ist. Im Rahmen dieser ordnungsgemäßen Maßnahmen reicht ein Mehrheitsbeschluss aus, wenn eine gesetzliche Regelung oder eine Vereinbarung nicht entgegen­steht (§§ 15 Abs. 2, 21 Abs. 3 WEG).
Handelt es sich um Maßnahmen, die über den ordnungsmäßigen Rahmen hin­ausgehen, ist grundsätzlich ein einstimmiger Be­schluss erforderlich. Da den Wohnungseigentümern aber für bei­de Fälle die Beschlusskompetenz eingeräumt ist, gilt grundsätz­lich die Bestimmung des § 23 Abs. 4 WEG, wonach ein Be­schluss nur ungültig ist, wenn er in­nerhalb einer Monatsfrist an­ge­foch­ten und durch rechtskräftiges Urteil rechtswirksam für ungültig er­klärt ist.
Damit gilt, dass für Gebrauchs-, Verwaltungs- und Instandhal­tungs- beziehungsweise In­standsetzungs­maßnahmen oder bauliche Veränderungen an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten ist, wonach in diesen Angelegenheiten bestands­kräftige (nicht angefochtene und nicht für ungültig erklärte) Mehr­heitsbe­schlüsse (Ersatzvereinbarungen beziehungsweise Zitter­beschlüsse) gültig sind, auch wenn der Regelungs­gegen­stand man­gels "Ord­nungsmäßigkeit" an sich eine Vereinbarung im Sinne von § 10 Abs. 2 Satz 2 WEG oder einen einstimmigen Beschluss er­forderlich gemacht hätte. Vereinbarungsersetzende Mehrheitsbeschlüsse sind daher nicht nichtig, sondern – nur – an­fechtbar.

Von besonderer Bedeutung für die Praxis ist die Tatsache, dass für die Aufhebung solcher vereinbarungsersetzenden Mehr­heits­beschlüsse ein einfa­cher Mehrheitsbeschluss als Beschluss im Rahmen ordnungsgemä­ßer Verwaltung dann wiederum aus­reicht, wenn mit dieser Beschlussfassung die ursprünglich gel­ten­de Regelung wiederhergestellt wird (OLG Karlsruhe, Az. 11 Wx 96/00, Beschluss vom 31.05.2000). Nach dieser jetzt gelten­den Rechtsauffassung ist auch ein (nur) mit Mehrheit be­schlossenes generelles Tierhaltungsverbot wirksam und bindet alle Wohnungseigentümer, im Falle des Eigentümerwechsels auch den neuen Eigentümer, wenn der Beschluss nicht ange­fochten und für ungültig erklärt wird. Voraussetzung für eine mehr­heitliche Beschlussfassung ist für einen solchen Fall aller­dings, dass keine entgegenstehende Tierhaltungsregelung in der Teilungserklärung oder der Gemeinschaftsordnung enthalten ist. Im Übrigen kann das nur mehrheitlich beschlossene Tier­hal­tungs­verbot jederzeit durch mehrheitliche Beschlussfassung als Maßnahme ordnungsgemäßer Gebrauchsregelung wieder aufge­hoben werden.

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